Folgerungen aus ARTE-Dokumentation „Auslaufmodell Supermarkt?“
Der Handel ist am Zug: Nur faires Miteinander mit Markenherstellern ist zukunftweisend
Berlin, 13.10.2021. Der gestern zur Prime-Time gesendete ARTE-Dokumentarfilm „Auslaufmodell Supermarkt?“ zieht ein zentrales Thema der Versorgung der Bevölkerung mit Konsumgütern des täglichen Bedarfs ins Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit: Auch in Deutschland versuchen viele Händler zu Lasten von Lieferanten und Verbrauchern ihren Profit zu maximieren, während sie sich als weiße Ritter gerieren, die vermeintlich im Interesse der Allgemeinheit unterwegs sind. Die im Beitrag beschriebenen fragwürdigen und teilweise rechtswidrigen Verhaltensweisen werden von den Lieferanten nicht nur bei einigen Händlern auf nationaler Ebene beobachtet – sie treten noch vermehrter und schärfer bei sog. internationalen Handels- bzw. Einkaufsallianzen auf.
Die Dokumentation weist auch auf einen Aspekt hin, der seit der Erstellung des Beitrags von der Bedeutung her noch weiter zugenommen hat: In der Folge der Covid-19 Pandemie tritt das Verhältnis zum Lebensmittel-Einzelhandel für viele Lieferanten in eine neue Phase. Die Kostensteigerungen der letzten Zeit können nicht mehr von den Lieferanten kompensiert, sondern müssen weitergegeben werden – wie es bei funktionierendem Wettbewerb möglich wäre. Wenn das weiterhin vom nachfragemächtigen Handel verhindert und kategorisch negiert wird, steht die Existenz immer mehr mittelständischer Lieferanten auf dem Spiel. Christian Köhler, Hauptgeschäftsführer des Markenverbandes „Der Handel hat es in seiner Hand, ob ihm auch in Zukunft die große Zahl der Hersteller die Regale mit den Produkten füllen kann, mit denen er den Verbrauchern die Auswahl und Innovationen anbietet, die diese so schätzen. Denn nur diese Produkte erlauben es dem Handel sich zu differenzieren und damit im Wettbewerb zu bestehen.“
In den Recherche von ARTE wird deutlich, dass europäische Anzapfallianzen nicht den Anspruch verfolgen über Leistungen und Gegenleistung in den Geschäftsbeziehungen mit den Herstellern zu verhandeln. Markenunternehmen sollen zu reinen Produzenten degradiert werden. Es entstehen also keine effizienten Strukturen, sondern Organisationen mit gefährlichem Erpressungspotenzial. Umso wichtiger ist es, dass die Europäische Kommission endlich der Aufforderung des Europäischen Parlamentes nachkommt und eine gründliche Untersuchung der europäischen Handelsallianzen durchführt. Auch muss der Charakter der Allianzen in den aktuell in der Überarbeitung befindlichen Leitlinien zu horizontalen Wettbewerbsbeschränkungen endlich zutreffend und kritisch erfasst werden.
Die in der Dokumentation angesprochene Oligopol-Bildung im Lebensmittelhandel ist in Deutschland durch die Zerschlagung von Real und die Übernahme durch Edeka und Kaufland erneut sichtbar geworden. Das Bundeskartellamt scheint hier faktisch resigniert zu haben. Marktanteile scheinen am Ende ohnehin bei den großen Oligopolen zu landen. Zusammenschlusskontrolle im Lebensmitteleinzelhandel ist faktisch wirkungslos. Umso wichtiger ist es, dass die Verhaltensweisen der marktmächtigen Oligopolisten effektiv kontrolliert werden. Auch wenn das für die zuständigen Behörden mühsam ist und weniger populär, als die in aller Munde befindlichen GAFAs zu kontrollieren: Die Instrumente dafür stehen bereit, um offline eine Situation herzustellen, die funktionierendem Wettbewerb wenigstens einigermaßen nahekommt. Wichtig ist deren unbedingte Anwendung.
Die Dokumentation „Auslaufmodell Supermarkt?“ finden Sie in der ARTE Mediathek