Markenbewertung
Als Erfolgsmodell ist die markenorientierte Unternehmensführung nicht nur für die Herstellung von Konsumgütern, sondern auch für die Produzenten von Industriegütern und die Anbieter von Dienstleistungen heute als Erfolgsmodell hoch aktuell. Das gilt nicht zuletzt auch für den Einzelhandel, der sich zusehends als Markendienstleister beim Verbraucher positioniert. Und auch die ganz großen Gewinner im Internet – Google, eBay oder Amazon – dürften ihren Erfolg im inzwischen unüberschaubaren World Wide Web ganz wesentlich ihrer markenorientierten Kommunikationsstrategie verdanken.
Entsprechend ist die Bedeutung der Marken eines Unternehmens, seien es Unternehmens-, Dach- oder einzelne Produktmarken, auch unbestritten. In einer 2005 unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Henrik Sattler, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Handel und Marketing der Universität Hamburg, mit PriceWaterhouseCoopers, der GfK und dem Markenverband durchgeführten Gemeinschaftsstudie stimmten 83 % der befragten Unternehmen der Aussage zu, dass zu den wichtigsten Einflussfaktoren für den Erfolg des eigenen Unternehmens die Marken gehörten.
Eng verknüpft mit der Frage nach der Bedeutung von Marken für den Erfolg eines Unternehmens und seiner Produkte und Dienstleistungen ist die Frage nach dem Wert dieser Marken. Dieser ist, fragt man nach einer qualitativen Einschätzung, unbestritten hoch. Eine quantitative Beurteilung führt hier aber sehr schnell an Grenzen. Zwar stellen Marken in der vorzitierten Studie inzwischen durchschnittlich 67 % des Gesamtwertes eines Unternehmens dar (während dieser Wert in einer Vorläuferstudie 1999 noch bei 56 % lag). Gleichzeitig räumen aber 77 % der befragten Unternehmen ein, daß eine monetäre Markenbewertung des eigenen Portfolios bislang nicht durchgeführt worden ist.
Der unwidersprochenen Bedeutung von Marken für die Unternehmensführung korrespondiert damit zwar auch ein unwidersprochen hoher Wert von Marken für das Unternehmen und seinen Erfolg, eine quantitative, monetäre Bezifferung dieses Wertes findet in deutschen Unternehmen aber bis heute nur in vergleichsweise wenigen Fällen statt.
Demgegenüber beobachten wir, dass ein Bedürfnis nach einer belastbaren Bezifferung des Markenwertes in immer breiterem Maße an Bedeutung gewinnt.
Im Bereich der Markenführung treten neben dem Marketing und dem Brandmanagement zusehends auch andere Unternehmensabteilungen und insbesondere das Controlling mit einem Interesse an einer wertorientierten Markenführung auf den Plan. In dem Bemühen, hier zu belastbaren Prognoseentscheidungen und zu Bewertungen für die Markenführung in der Vergangenheit zu kommen, erhält der Markenwert monetär eine neue Bedeutung als ein möglicher gemeinsamer Nenner und als objektivierbare Messgröße für Erfolg.
Besondere Dynamik bei der Frage nach einem wachsenden Bedürfnis nach monetärer Markenbewertung zeigt sich auch im Bereich der finanzorientierten Kommunikation. Dabei spielen zunächst Bedürfnisse der Rechnungslegung eine zunehmende Rolle, nachdem zumindest erworbene Marken nach dem International Financial Reporting Standard bilanziert werden müssen. Mit Blick auf den für die Folgeberichtserstattung vorgesehen Impairment-Test wie auch mit Blick auf die Bedürfnisse der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften ist eine belastbare Quantifizierung der zu bilanzierenden Markenwerte zwingend notwendig. Doch auch für selbst geschaffene Markenwerte gibt es ein wachsendes Interesse an einer Kommunikation des monetären Markenwertes im Rahmen finanzorientierter Fragestellungen. Angaben hierzu können für institutionelle Anleger und Investoren, aber auch für Kreditgeber und Finanzanalysten von Bedeutung sein. Hinzu kommt, dass nicht auszuschließen ist, dass schon in absehbarer Zeit nicht nur erworbene, sondern auch selbst geschaffene Markenwerte einer Bilanzierungspflicht nach IFRS unterliegen könnten. Nach dem nun vollzogenen Einstieg in die Bilanzierung von Markenwerten erscheint eine solche dynamische Entwicklung mindestens nicht ausgeschlossen, wenn nicht gar wahrscheinlich. Dies um so mehr, als die sich aus der geltenden IFRS-Lage ergebenden Wertungswidersprüche kaum aufgelöst werden können, wenn nicht auf die Bewertung von Marken zukünftig wieder ganz verzichtet werden soll. Denn die Bilanzierungspflicht erworbener Markenwerte setzt sich unabhängig von der Frage der zukünftigen Markenstrategie fort. Dass aber (möglicherweise zu einem hohe Preis) erworbene Marken auf Dauer und unabhängig von strategischen Neupositionierungen am Markt regelmäßig in ihrem Wert überprüft und bilanziert werden, während selbstgeschaffene Markenwerte, die faktisch gleichrangig sind, mangels einer ursprünglichen Erwerbshandlung von einem Dritten auf Dauer unbilanziert bleiben, erscheint kaum denkbar.
Von wesentlicher Bedeutung bleibt die monetäre Wertbestimmung von Marken auch für die rechtsgeschäftliche Verfügung über Schutzrechte. Hier treten neben den Kauf und Verkauf von Marken – sei es in Alleinstellung, sei es im Zusammenhang mit kompletten Unternehmensübernahmen – zusehendst auch andere rechtsgeschäftliche Konstellationen. So hat die Lizenzierung von Marken in den letzten Jahren wohl eine größere Bedeutung in der Praxis erlangt, als dies für die Übertragung von Markenrechten der Fall ist. Auch an die Verpfändung von Markenrechten ist in diesem Zusammenhang zu denken. Schließlich ist das Markenleasing als noch junger Anwendungsfall nach ersten positiven Erfahrungen von zunehmendem Interesse. Hier gibt es zwar zumindest bei sale-and-lease-back-Modellen Anknüpfungspunkte an den Erwerbspreis der Marke. Bei einem partnerschaftlich konzipierten sale-and-lease-back-Modell wird aber schon die zugrundeliegende Wertbestimmung nur dann eine gute Grundlage für das Leasinggeschäft bilden können, wenn die monetäre Markenwertbestimmung zu belastbaren Quantifizierungen geführt hat.
Neben den rechtsgeschäftlichen Anwendungsfeldern hat auch die Notwendigkeit zur Wertbestimmung im Zusammenhang mit Schutzrechtsverletzungen eine lange Tradition. In der Vergangenheit sind Schadenersatzforderungen aber meist im Rahmen von Lizenzanalogien behandelt worden. Unberücksichtigt blieb – auch mangels Vorlage gerichtlich verwertbarer Nachweise über Markenwertfluktuationen – die erfolgreiche Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen wegen der Verletzung der Markensubstanz. Diese in Euro und Cent zu quantifizieren ist aber notwendig, sofern hierauf Schadenersatzansprüche gründen sollen. Nur eine monetäre Markenbewertung kann diese Aufgabe leisten.
Schließlich bleiben steuerliche Aspekte im Zusammenhang mit der Bewertung von Marken. Hier kann es im Interesse von Markeninhabern liegen, den wirtschaftlich-monetären Wert einer Marke (neu) zu bestimmen.